Selina sitzt mit ihrer Freundin Nena im lauschigen Gastgarten: “Ich hab‘ heute Psychotherapiestunde – schau‘n wir mal, wie intensiv das heute wird. Habe einige Themen am Kochen!“ Nena ist etwas eifersüchtig, hat sie doch die Rolle als einzige Vertraute ihrer Freundin verloren. Aber die Neugier siegt.

„Geht es dir wirklich so schlecht, dass du Psychotherapie brauchst?“
Selina nickt: „So schlecht nicht, du kennst mich ja, aber ich habe einige Themen. Ich möchte mir vor allem anschauen, warum meine Beziehungen nie halten. Langsam erfahre ich in der Therapie, dass ich mir immer dominante Männer suche, die mich eher abwerten. Wenn ich nicht erkenne, warum, bleibe ich vielleicht immer in derselben Schiene“. „Zumindest ein Thema mit Perspektive – auf dem Weg zu Mr. Right!“ sinniert Nena.
„Fühlst du dich bei ihr wohl? Wie ist sie denn so, deine Therapeutin?“.
Selina überlegt, grinst. „Eigentlich so wie ein spezieller Kuchen!“ „Sag bloß, sowas kriegt man gebacken – woraus besteht denn die deine?“

Eine spontane Idee von Selina – offensichtlich hat sie Hunger auf Kuchen. Aber wir können ja wirklich überlegen, welche „Zutaten“ unbedingt zu Therapeutinnen gehören. Als erstes nehme man einen Menschen, Frau oder Mann, der/die andere Menschen grundsätzlich sehr spannend findet und Freude daran hat, mehr über sie zu erfahren. Dazu füge man das Bedürfnis, anderen zu helfen. Dann kommt natürlich eine Hauptzutat – die Qualifikation – dazu, nämlich das Wissen und die Fähigkeiten, überhaupt therapeutisch handeln zu können. Weiters ein großer Klacks „Selbsterfahrung“, dass nämlich die Therapeutin sich ihrer eigenen Lebensthemen bewusst ist. Die sollen bei ihr bleiben – und nicht in der „Klient:innensuppe“ mitkochen. Dazu noch ein großes Maß Einfühlungsvermögen und – ganz wichtig – eine kleine Prise Feenstaub für die magischen Momente der Therapie!

Nena ist skeptisch: „Und einem wildfremden Menschen soll ich vielleicht peinliche Dinge erzählen? Wie erkenne ich überhaupt, ob die Therapeutin die Richtige für mich ist?“

Eine gute Frage und nicht leicht zu beantworten. Im persönlichen Kontakt spürt man im ersten Eindruck, ob die „Chemie“ im Wesentlichen passt. Dann sondiert man weiter. Zur Auswahl trägt dann die eigene Persönlichkeit bei. (Lieber ein Mann, oder doch eine Frau, aber nicht diese, die erinnert mich an meine unangenehme Lehrerin. Werde ich ernstgenommen? Bin ich sehr kritisch? Kann überhaupt jemand für mich gut genug sein? Hoffentlich hält sie mich nicht für gestört! Ich habe eine Empfehlung von einem Freund, dem ich vertraue – schauen wir einmal.) Man sieht, ein weites Feld. Aber dann entscheidet man sich doch, es mit einer bestimmten Person als Therapeut/in zu versuchen.

Übrigens ist dieses Thema – wie bin ich zu einer Therapeutin gekommen und wie hat sich die Beziehung entwickelt – oft rückwirkend interessant und wichtig. Die Bedeutung einer solchen Entscheidung eines Klienten ist groß. Das Ablegen mancher seelischer Schutzschichten ist oft notwendig, um zur Essenz der Probleme zu kommen. Einiges vom davor verdeckten Innern liegt nun offen, empfindlich und verletzlich. Die Therapeutin ist sich der großen Verantwortung bewusst, damit sorgsam und behutsam umzugehen. Die Therapie ist ein geschützter Raum, getragen durch Vertrauen, das sich entwickelt und festigt. Das kann einige Zeit dauern.

„Aber wenn ich nach einiger Zeit noch immer unsicher bin, ob ich beim richtigen Therapeuten bin?“ überlegt Nena. „Eine Bekannte hat einfach ihren Termin abgesagt und ist nicht mehr hingegangen.“

Dann kann man natürlich. Besser allerdings ist es, genau dieses Thema in der Therapie anzusprechen. Keine Angst vor der Kränkung der Therapeutin! Natürlich spürt sie, dass sie abgelehnt wird, aber professionelles Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass der Fokus auf der Klientin und ihren Bedürfnissen liegt. Manchmal ist es ein wesentlicher Schritt in der Therapie, manchmal ist es wirklich das Ende der Therapiebeziehung.

Eines beschäftigt Nena weiter: „Ich verstehe noch immer nicht ganz, warum du das alles nicht mit mir besprechen kannst. Ich habe dir doch oft schon einen guten Rat gegeben – vertraust du mir nicht mehr? Ich bin doch deine beste Freundin!“

Gute Freundinnen sind genau das – Freundinnen, aber keine Therapeutinnen – zumindest nicht gegenseitig. Warum? Weil Therapeutinnen sich genau dadurch auszeichnen, dass sie keine persönlichen Beziehungen und Verflechtungen mit ihren KlientInnen haben. Sie sind empathisch und berührt, aber nicht persönlich betroffen. Das ermöglicht eine klare Sicht und eine wirksame Therapie.

Wenn Sie wissen wollen, ob man sich in einer Psychotherapie immer wohlfühlen muss, bleiben Sie dran – im nächsten Blog erfahren Sie mehr!